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GRÜNE Kall

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23. November 2016

Biodiversität und Lebensqualität – Wie gestalten wir unsere Zukunft?

Mit dem integrierten Handlungskonzept zur Entwicklung des Kaller Ortskerns übernehmen wir in der Gemeinde Kall langfristige Verantwortung dafür, unseren zentralen Wohnort so zu gestalten, wie er unseren heutigen und den zukünftigen Bedürfnissen unserer Kinder gerecht werden soll. Dies ist ein wichtiger und richtiger Schritt: aber was geschieht außerhalb der Ortsgrenzen?

Für die überwältigende Mehrheit von uns ist der Aufenthalt in intakter Natur ein wichtiger Faktor für das persönliche Wohlbefinden und in Umfragen wird dem Erhalt von Natur ein hoher Stellenwert zugebilligt. Betrachtet man allerdings die Faktenlage ist die diesbezügliche Situation in Deutschland und spezifisch im Gemeindegebiet Kall ernüchternd: weltweit und auch in Deutschland ist ein besorgniserregender Rückgang der naturnahen Lebensräume und Verlust biologischer Artenvielfalt zu verzeichnen. Für Deutschland stellt der Artenschutz-Report 2015 des BfN – Bundesamt für Naturschutz – eindeutig fest: „Der Zustand der Artenvielfalt in Deutschland ist alarmierend. Ein Drittel der bei uns in Deutschland vorkommenden Arten steht auf der Roten Liste und hat damit in seinem Bestand als gefährdet zu gelten. Arten stehen dabei immer auch für Lebensräume, Ökosysteme und Beziehungsgefüge. Ihr Zustand spiegelt zugleich den Zustand unserer Landschaften wieder. … Es besteht daher dringender Handlungsbedarf“.

Das Bundesamt nennt als notwendige Maßnahmen u.a. ein Netz von Schutzgebieten „um in der intensiv genutzten Kulturlandschaft hinreichend Rückzugsmöglichkeiten für Arten mit besonders spezialisierten Lebensraumansprüchen zu bieten.“ Die Vernetzung solcher Habitate oder Rückzugsräume ist Voraussetzung, um unserer heimischen Tier- und Pflanzenwelt überhaupt den Fortbestand zu ermöglichen, insbesondere unter den erschwerten Bedingungen des weltweiten Klimawandels. Diese Vernetzung erfordert naturnahe Landschaftselemente in ausreichender Zahl und Dichte. Da in unserem Land mehr als die Hälfte der Fläche landwirtschaftlich genutzt wird, hängt die biologische Artenvielfalt oder Biodiversität an erster Stelle davon ab, wie wir Landwirtschaft betreiben. Und gerade im Bereich des Agrarlands ist trotz seit langem bekannten Missstand seit Jahrzehnten eine weitere stete Verschlechterung der Lebensbedingungen unserer wildlebenden Tier- und Pflanzenwelt zu verzeichnen. Bei der letzten Erhebung entsprechender Indikatoren im Jahr 2014 wurde hier der bisher schlechteste Zustand überhaupt attestiert, und es ist dringend an der Zeit, auf europäischer und nationaler Ebene eine Kurskorrektur bei Landwirtschaftspolitik und Agrarförderung durchzuführen.  

Was bedeutet das nun auf kommunaler Ebene, hier bei uns in der Gemeinde Kall?

Immer wieder gilt es auf kommunaler Ebene Entscheidungen zu fällen, die als einzelnes Datum vielleicht ohne Relevanz erscheinen, in Summe aber genau diese Tendenz der Verarmung unseres Naturraumes verstetigen. Die Beseitigung oder Einziehung von Wegen im Gemeindegebiet ist ein solcher Aspekt. Wege besitzen Grünränder und sind oftmals gesäumt von Sträuchern und Bäumen. Sie durchziehen die Landschaft netzartig und bieten damit den lebensnotwendigen Rückzugsraum, der ein Überleben wildlebender Tiere und Pflanzen ermöglicht. Wenn auch im Einzelfall die Einziehung eines Weges gerechtfertigt sein kann, so muss doch – im Gegensatz zur Auffassung mancher politischer Vertreter – der Regelfall gelten, dass Wege nicht nur zu erhalten sind, sondern ihre ökologisch wichtige Funktion sogar ausgeweitet wird.  Die Situation ist diesbezüglich nicht nur in Deutschland allgemein kritisch, sie steht auch bei uns vor Ort nicht zum Besten. In den Planungsunterlagen zum Gewerbegebiet Kall III wurde im September 2016 festgestellt, dass das Plangebiet im Wesentlichen durch intensiv genutzte Ackerflächen geprägt ist, die nur wenig landschaftsästhetische Reize bieten und auch aufgrund fehlender Parkmöglichkeiten und Wanderwege nur marginale Bedeutung für die Erholungsnutzung besitzen, weshalb die Umwandlung zu Gewerbeflächen bezüglich diesen Aspekts als potenziell unbedenklich eingestuft wird. Bezüglich der von der Maßnahme betroffenen Vogelarten werden zwar gemäß der Artenschutzprüfung notwendige Schutz- bzw. Kompensationsmaßnahmen zur Erhaltung von Brutplätzen vorgesehen, diese sind aber bestenfalls dazu geeignet, die vorhandenen Arten in ihrem jetzigen Bestand zu erhalten, sofern diese sich denn mit ihren geänderten Lebensräumen arrangieren können. Ob dies eintritt, wird sich in Zukunft erst noch zeigen.

Natürlich mag es im Einzelfall immer Argumente geben, eine Maßnahme durchzuführen, die einen Eingriff in die Landschaft bedeuten. Aber es ist unabweisbar, dass wir in Summe unserer Naturlandschaft zu viel zumuten. Darüber hinaus gilt es auch weitere Aspekte des Gemeinwohls bei Eingriffen wie der Einziehung von Wegen zu berücksichtigen. So befasste sich Ende Oktober der sogenannte Bau-Ausschuss mit einem Antrag auf Einziehung eines Weges in der Hanglage zwischen Scheven und Dottel. Da ein Weg in einem Hang potenziell auch eine wichtige Rolle für die Ableitung von Niederschlagswässern besitzt, ist bei der bekannten Hochwassergefährdung der Ortslage Scheven diese Maßnahme derzeit kaum vorstellbar. Aber auch hier gilt wie bezüglich der Artenvielfalt, dass wir in der Vergangenheit bei Eingriffen in die Landschaft tendenziell das allgemeine Ziel der Reduktion der Hochwassergefährdung der Allgemeinheit im konkreten Fall zur Erzielung eines konkreten Nutzens zu gering gewertet haben.

Was ist zu tun?

Auch wenn vor dem Hintergrund des anhaltenden Flächenverbrauchs, abnehmender Biodiversität und der im Zeichen des Klimawandels steigenden Hochwasserproblematik ein vollständiger Stopp jeglichen weiteren Verbrauchs naturnaher Flächen ratsam scheint, wird man diesen radikalen Weg in der Realität nicht verantworten können. Wir sollten daher nicht immer nur erst im Zusammenhang mit geplanten Eingriffen in die Natur über eine Kompensation einer konkreten Maßnahme nachdenken, sondern als Maßnahme gegen die stetig abnehmende Lebensqualität unserer Umwelt für die wildlebende Tier- und Pflanzenwelt und als Investition in die Zukunftssicherheit unserer Gemeinde in eine aktive Politik zur Gestaltung unserer Landschaft einsteigen. Eine solche vorausschauende aktive Politik wäre dabei kein Sonderweg der Gemeinde Kall, sondern im Gegenteil in Übereinstimmung mit den erklärten Zielen der Landesregierung NRW und unserer Bundesregierung. Auf Bundesebene ist das alarmierende Problem der Degradation unserer natürlichen Lebensräume erkannt worden – und wird mit der „Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt“ und der „Naturschutz Offensive 2020“ angegangen. An oberster Stelle steht hierbei das Problemfeld „Äcker und Wiesen – Kulturlandschaft für Mensch und Natur“. Unser Bundesland NRW hat eine entsprechende Rahmenvereinbarung mit den NRW-Landwirtschaftsverbänden und der Landwirtschaftskammer NRW zur Förderung der Biodiversität unterzeichnet. Es führt kein Weg an einer aktiven Gestaltung unseres Lebensraums auch außerhalb unserer Ortsgrenzen vorbei: das, was wir richtiger Weise mit der zukunftsweisenden Entwicklung des Kaller Ortskernes begonnen haben, müssen wir auch für unseren natürlichen Lebensraum angehen. Wir müssen in den Dialog mit Fachleuten auf diesem Gebiet treten, mit deren Unterstützung wir eine langfristige Perspektive für die Verbesserung der landschaftlichen Lebensbedingungen von Tieren, Pflanzen und Menschen in unserer Gemeinde erarbeiten.

Einige Links:

http://www.bmub.bund.de/themen/natur-biologische-vielfalt-arten/naturschutz-biologische-vielfalt/allgemeines-strategien/nationale-strategie/

http://biologischevielfalt.bfn.de/

https://www.land.nrw/de/pressemitteilung/neue-vorschriften-fuer-habitat-und-artenschutz-helfen-biologische-vielfalt-zu

http://biologischevielfalt.bfn.de/fileadmin/BfN/service/Dokumente/skripten/Skript418.pdf

https://www.umwelt.nrw.de/presse/pressemitteilung/news/2014-12-08-gemeinsames-signal-fuer-mehr-arten-und-lebensraumvielfalt-in-den-agrarlandschaften/

https://www.bfn.de/fileadmin/BfN/presse/2015/Dokumente/Artenschutzreport_Download.pdf

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