25. Oktober 2024
CDU/CSU paktiert offen mit der AfD im Europaparlament!
Die Meldung hat es nicht in die Schlagzeilen geschafft - und ist doch so wichtig! Alexandra Geese vertritt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Europaparlament und ist Mitglied im Haushaltsausschuss. Hier der Bericht aus ihrem Newsletter:
"Gestern (Mittwoch, 23.10.2024) sind unsere Befürchtungen wahr geworden: Das erste Mal überhaupt hat die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP), zu der auch die CDU/CDU Abgeordneten gehören, einem Antrag der rechtsextremen Fraktion “Europa der Souveränen Nationen” (ESN) zugestimmt. Die ESN ist die Fraktion der AfD im Europaparlament, in der sich alle die Rechtsextremen zusammengeschlossen haben, die selbst für die anderen Rechten Fraktionen von Orban und Meloni zu extrem waren.
Das ist passiert:
Der Haushaltsplan für 2025 stand zur Abstimmung. In langen Verhandlungen haben sich die pro-europäischen Fraktionen von EVP, S&D, Renew und Grünen/EFA auf einen Kompromiss geeinigt. Das ist die Koalition, die von der Leyen im Europaparlament auch gerade deswegen wieder gewählt hat, weil sie klargemacht hatte, dass sie nicht mit den Rechten und Rechtsextremen paktieren will.
Doch im letzten Moment hat Fraktionssprecher Manfred Weber (CSU) und die EVP-Fraktion von der Leyen de facto das Vertrauen entzogen und entschieden, dass sie aus dem Bündnis ausscheren. Die EVP-Abgeordneten stimmten für den Antrag der ESN/AfD, der mehr Geld für Zäune und Mauern an den Außengrenzen und rechtswidrige Abschiebezentren vorsah.
Drei Punkte, was der EVP-Pakt mit der AfD im Europaparlament bedeutet
1. Das Parlament ist geschwächt - zur Freude der Rechtsextremen
Die Konsequenz des EVP/AfD-Paktes ist aber, dass der ganze Haushalt durchgefallen ist, weil S&D, Renew und Grünen/EFA dem so mit rechtsextremen Positionen geänderten Antrag nicht mehr zustimmen konnten. Besonders pikant: Auch die AfD/ESN hat dem Gesamtantrag nicht zugestimmt. Das war auch von vornherein klar, denn sie lehnen die EU und ihre Institutionen ja grundsätzlich ab. So stand die EVP erwartbar am Ende allein und hat nichts gewonnen. Die einzigen Sieger sind die Rechtsextremen, die ihren Erfolg abfeiern. Die Verhandler:innen des Europaparlament gehen jetzt stark geschwächt in die Verhandlungen mit Mitgliedsländern, weil es keinen Beschluss des Parlaments gibt. So hat die EVP zur eigenen Profilierung das Parlament massiv geschwächt, die Rechten gestärkt und so Europa einen Bärendienst erwiesen.
2. Der EVP/AfD-Pakt ist ein großes Problem für von der Leyen
Auch für EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist der EVP-Pakt mit der ESN/AfD ein großes Problem. Sie konnte ihre Wiederwahl nur mit Unterstützung der S&D, Renew und Grünen sichern. Auf diese Unterstützung verlässt sie sich auch bei der im Dezember anstehenden Wahl der Kommissar:innen. Wenn jetzt ihre eigene Fraktion offen mit der AfD/ESN paktiert, haben S&D, Renew und Grüne schon klar gemacht: Dann ist die Unterstützung für von der Leyen am Ende und sie stünde die nächsten fünf Jahre vollkommen unter der Fuchtel der Rechten von Meloni, Orban und der AfD. Europa wäre nach diesen fünf Jahren ein anderes. Von der Leyen muss jetzt Manfred Weber und ihre Fraktion an ihre Verantwortung erinnern.
3. Die Christdemokraten und Konservativen gefährden die europäische Demokratie
Wenn wir über die Konsequenzen des EVP-Paktes mit der AfD/ESN nachdenken, ist es entscheidend den Blick zu weiten auf die Strategie der Neuen Rechten, die von den USA, über Ungarn, Deutschland, bis nach Italien immer die gleiche ist: Sie wollen aus den Institutionen heraus ihr Bild einer autoritären und illiberalen Herrschaftsform durchsetzen. Dazu schwächen sie gezielt die Institutionen, die die Demokratie schützen sollen, Medien, Gerichte, und auch die Parlamente und Regierungen selbst.
Das Sag- und Machbare verschiebt sich immer weiter, die Demokratie wird so geschwächt, dass sie sich nicht mehr um die Sorgen der Menschen kümmern kann, sondern sich in einem dauernden Abwehrkampf befindet.
Dass jetzt der erste Pakt zwischen EVP und AfD/ESN beim Haushalt durchgezogen wurde, ist kein Zufall. Denn von einem schwachen, schlechtfinanzierten Europa, das kein Geld für die Menschen hat, profitieren all diejenigen, die die Demokratie abschaffen wollen.
In ihrem
Bestseller “Wie Demokratien sterben” haben die Autoren Ziblatt und Levitsky das Ende demokratischer System analysiert und kommen zu dem Schluss, dass
nicht putschende Generäle das Ende von Demokratien einleiten, sondern gewählte Demokraten, die geschriebene und ungeschriebene Leitplanken der Demokratie Stück für Stück eindellen und durchbrechen.
In den letzten Wochen wurde schon die Zusammenarbeit mit Melonis ECR-Fraktion immer enger, zu denen neben den post-faschistischen “Fratelli d’Italia” auch die polnische PiS gehört, die den polnischen Rechtsstaat systematisch geschwächt hat. Die EVP unterstützt beispielsweise den ECR-Kandidaten Fitto wie einen der ihren, und das, obwohl die ECR von der Leyen die Unterstützung verweigert hat.
Jetzt liegt der Ball bei den Anständigen in der CDU und den anderen christdemokratischen und konservativen Parteien in der EVP: Wenn das nur der Anfang eines offenen Paktierens mit den Rechtsextremen und die Abkehr von der demokratischen Mitte war, dann werden wir in fünf Jahren die Europäische Union nicht wiedererkennen und die Menschen in Europa mehr und mehr ihrer mühsam erkämpften Rechte verlieren.
Und klar ist auch: Das würde niemanden mehr freuen, als die Autokraten dieser Welt, ob im Kreml oder im Trump Tower.
Was können wir alle tun? Entscheidend ist, dass wir das Verhalten der EVP sichtbar für alle machen. Deutsche Medien z.B. haben kaum über die Abstimmung gestern berichtet.
Deswegen teilt diese Mail mit allen und verbreitet sie weiter. Noch kann die EVP einlenken, dazu braucht es aber den Druck der Öffentlichkeit.
Mit entschlossenen Grüßen,
Eure Alexandra Geese"
Und so haben die deutschen VertreterInnen im Ausschuss abgestimmt: