30. Juni 2023
Wem gehören die Innenorte?
Kennen Sie die "Forschungsgesellschaft für das Staßen- und Verkehrswesen" (FGSV)? Noch nie gehört? Wir auch nicht - bis ein Rundfunkbeitrag im Deutschlandfunk uns auf diesen Verein aufmerksam machte. Und auf das, was er so tut und und welchen Einfluss er auf die Gestaltung unserer engsten Lebensumwelt hat.
Die FSGV bezeichnet sich selbst als "das unabhängige deutsche Kompetenznetzwerk für Forschung und Wissenstransfer rund um das Thema Straßen- und Verkehrswesen" und sieht sich strikter Neutralität verpflichtet. Und weil die Industrie immer längere, breitere und höhere Fahrzeuge produziert, und die Autofahrer diese auch kaufen, sollen auch die Parkplätze breiter werden. Breitere Parkplätze aber bedeuten weniger Platz für FußgängerInnen und RadfahrerInnen.
Oliver Schwedes, Professor für Verkehrsplanung an der Uni Berlin und Mitglied der Scientists for Future, beschäftigt sich intensiv mit der Verkehrsplanung in all ihren Facetten. Er sieht diese Entwicklung sehr kritisch - und eine Aufgabe für die Politik: wie viel Platz steht Autos zu, was soll den Fahrrädern zustehen und wo bleiben eigentlich Fußgänger, Bänke, Grünflächen und Aufenthaltsräume?
Autos werden immer länger, breiter und höher – und es werden immer mehr. Jetzt sollen Parkplätze an SUVs angepasst werden. So schlägt es zumindest die zuständige Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) vor. Und das, wo doch in den Städten sowieso stark um den öffentlichen Raum gestritten wird.
Wie viel Platz dürfen Autos einnehmen, was steht den Fahrrädern zu und wo bleiben eigentlich Fußgänger, Bänke, Grünflächen und Aufenthaltsräume? Der Verkehrsplaner und Mobilitätsforscher Oliver Schwedes sieht den Vorschlag der FGSV jedenfalls kritisch.
Die Entscheidung liegt bei der Politik
„Wir haben da ja eine Akzentsetzung“, sagt der Forscher. „Und hier hat man doch das Gefühl, dass sich in den Regelwerken fortsetzt, was wir jahrzehntelang vorher praktiziert haben.“ Eine sehr einseitige Ausrichtung auf den motorisierten Verkehr nämlich.
Das ist eine Entwicklung, die konterkariert alle – auch politisch entschiedenen – Bemühungen.
Die Zunft der Verkehrsplanerinnen und Verkehrsplaner sei traditionell recht unpolitisch, sagt Schwedes. Diejenigen, die dafür plädieren, sich anzupassen, würden sagen: „Das ist nicht unser Job, darüber zu philosophieren, ob die Automobilindustrie weiterhin größere Autos produziert.“
Er und immer mehr Kolleginnen und Kollegen hätten da aber einen anderen Standpunkt, so Schwedes: „Verkehrsplanerinnen und Verkehrsplaner haben eine Verantwortung für die Konsequenzen ihres Handelns.“ Die Entscheidung liege zwar bei der Politik. Er könne den Standpunkt aber in den öffentlichen Raum tragen, sagt Oliver Schwedes.
Das Recht auf Parken
„Der öffentliche Straßenraum ist ja eigentlich ein Gemeingut“, sagt Schwedes. Dennoch gebe es bei einigen Menschen die Vorstellung eines Grundrechts auf Parken. Der öffentliche Straßenraum gehöre uns allen gleichermaßen, „wir bezahlen ihn ja auch mit Steuermitteln gleichermaßen“.
Man kann es den Nutzerinnen und Nutzern nicht verübeln, dass sie das Gefühl haben, dass sie hier ein angestammtes Recht haben.
Das Thema Flächengerechtigkeit komme aber immer mehr auf die politische Agenda, sagt Schwedes. Neue Flächen für Radfahren müssten wir irgendwo hernehmen. „Dann müssen wir es von denen nehmen, die es jahrzehntelang sehr einseitig genossen haben.“