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GRÜNE Kall

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21. April 2020

Rechte Verschwörungstheorien gefährden unsere Demokratie

Vor ein paar Wochen spazierte unser Fraktionskollege Dr.-Ing. Guido Huppertz mit seiner Hündin durch den Nationalpark, als ihm ein älterer Herr mit einem Rauhaardackel-Rüden begegnete, seinen Regenschirm geschultert wie eine Flinte. Dieser wies ihn auf einen am Waldboden verrottenden Baum hin und meinte, hier sähe man, welchen Schaden EU-Fördermittel anrichten würden. EU-Politiker hätten entschieden, dass Fördergelder nur dann flössen, wenn hier in Zukunft nur noch bestimmte Baumarten im Wald wüchsen. Auf den Einwand von Guido Huppertz, dass Entscheidungen zu Fördermitteln aber ja nicht willkürlich gefällt würden, sondern auf Gutachten von Fachleuten basierten, erregte sich der Dackelbesitzer, dass dahinter grüne Ökofaschisten steckten! Nicht die AFD sei braun, die gerodeten Hänge des Nationalparks seien braun! Ökofaschisten hätten dafür gesorgt, dass man gezielt Borkenkäfer einsetze, um möglichst schnell alle Fichten aus dem Wald zu entfernen!

Hanebüchene Verschwörungstheorien erhalten im post-faktischen Zeitalter der Ära Trump leider wieder Zulauf. Von Vertretern der These, die Erde sei eine Scheibe bis hin zu denen, die eine gravierende Änderung des Weltklimas für Propaganda halten und dafür pseudowissenschaftliche Untersuchungen anführen. Eine lesenswerte Demontage solcher Demagogie von Leugnern des Klimawandels findet man im Online-Magazin Spiegel, wenn man im Internet nach „PR-Offensive der Klimaleugner“ sucht. Solche Verschwörungstheorien gehören seit jeher zum Narrativ im rechten Lager. Eine der ältesten ist die „Dolchstoßlegende“, wonach der erste Weltkrieg militärisch gewonnen worden wäre, wenn nicht „vaterlandslose“ Demokraten, Sozialisten und das „internationale Judentum“ der Heeresleitung durch Abschluss eines Friedensvertrages – als „Schanddiktat“ bezeichnet – quasi einen Dolch in den Rücken gestoßen hätten. Nicht zufällig bemühte dieses Bild die Legende vom im Kampf unbesiegbaren deutschen Nibelungenhelden Siegfried, der von einem tückischen Verräter mit einem Speer hinterrücks erstochen wurde. Dieses Narrativ wurde damals zum Nährboden rechter Phantasien und war ein Baustein, der die Weimarer Republik zum Opfer des Dritten Reiches werden ließ und schließlich in den zweiten Weltkrieg mündete. Es ist wohl wiederum kein Zufall, wenn heute rechte Politiker mit völkischer Gesinnung Begriffe wie „Vaterland“ und „Schande“ instrumentalisieren, denn schon damals sind es solche aus Worten geformte Bilder gewesen, die geholfen haben, eine Demokratie in eine faschistische Diktatur zu verwandeln. Dass wir heute wieder bundesweit agitierende Politiker haben, die nachweislich eine faschistische Ideologie verfolgen und dennoch von einer im Bundestag vertretenen Partei – der AfD – als „Mitte der Partei“ bezeichnet werden, ist unfassbar. Die deutsche Geschichte lässt keinen Zweifel daran wohin es führt, wenn man die Demokratie in einem Land den Handlangern des Faschismus preisgibt.

Ein Grundschema rechter Argumentation lautet, einem Staat gehe es besser, wenn seine Bürger unter sich blieben, verkürzt im Slogan „Ausländer raus!“. Auch hier gibt es einen aktuellen Verschwörungsmythos vom geplanten „Großen Austausch“ des deutschen Volkes durch Ausländer, welcher direkt mit der Nazi-These von der „Umvolkung“ zusammenhängt oder auch dem Nazi-Wahn von der reinen arischen Rasse*. Was rechte Demagogie auch in gefestigten demokratischen Staaten bewirken kann, haben wir gerade in Großbritannien mit dem Brexit erlebt. Dort hat dumpfe Propaganda von national-konservativen Hetzern und EU-Bashing auf Basis von Lügen ein Land in die Irre geleitet haben, auch mit dem Argument, es gebe zu viele fremde Arbeitskräfte im Land. Viele Europäer fühlten sich daraufhin in dem Land nicht mehr willkommen und haben ihm den Rücken gekehrt. In der Folge steht das englische Gesundheitssystem nun vor dem personellen Bankrott und in Hinblick auf die Corona-Krise kann man dort nur das Schlimmste befürchten. In Deutschland erleben wir gerade, wie das Schließen der Grenzen aufgrund der Pandemie dazu führt, dass Felder nicht mehr abgeerntet werden können und in der häuslichen Pflege die Versorgung von Hundertausenden alten Menschen auf dem Spiel steht. Dass die deutsche Industrie wie der gesamte Gesundheitssektor seit langem im Ausland nach Fachkräften suchen, weil der deutsche Arbeitsmarkt sie nicht hergibt, ist eine Tatsache, die nicht in das Credo der Rechten passt.

Seit der Faschismus in Deutschland wieder eine politische Bühne hat, können wir es uns nicht mehr leisten, Propaganda und Verschwörungstheorien vom rechten Rand zu ignorieren. Die erschreckenden Vorgänge bei der Wahl zum Ministerpräsidenten in Thüringen im Februar machen klar, dass es Zeit ist für unsere Demokratie aktiv einzustehen: der Glaube daran, dass unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung eine unverrückbare Tatsache mit Ewigkeitsgarantie ist, entpuppt sich immer mehr als ein gefährlicher Trugschluss. Wir erleben wieder Zeiten, in denen man mit Zivilcourage „den Anfängen wehren muss“. Es bleibt eben nicht immer nur bei verächtlichen „Fuck-You-Greta“-Aufklebern auf Autos, sondern es etabliert sich ein Muster, wonach Politiker, Journalisten oder Kirchenvertreter mit Morddrohungen eingeschüchtert werden, wenn sie sich zuvor negativ zur AFD oder der von dieser propagierten Politik geäußert haben. Im Dritten Reich fing es mit den Schlägertruppen der SA an, die politische Gegner aus dem Weg räumen sollten. Heute sind es noch Seilschaften, die sich im Schatten der digitalen Welt von Social Media bewegen, aber die ersten Übergriffe in die reale Welt haben wir bereits erleben müssen, siehe den NSU oder die Ermordung des Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Auch im Kreis Euskirchen haben wir seit Anfang 2020 den Tatbestand einer Morddrohung gegen einen ehrenamtlichen Politiker der Linken.

Daher eine Bitte von uns, den Menschen, die sich in Kall ehrenamtlich bei den Grünen engagieren: schalten Sie sich ein, verleihen Sie ihrer Stimme Gehör! Engagieren Sie sich bei Vereinigungen wie den „Omas gegen Rechts“, starten Sie eigene Initiativen oder besuchen Sie die Ortsversammlungen der politischen Parteien, um so ein Zeichen gegen das Wiedererstarken rechter Hetze zu setzen! Zu den Treffen des Ortsverbands Kall von Bündnis 90 / Die Grünen sind interessierte Gäste herzlich eingeladen. Termine oder wie Sie mit uns in Kontakt treten können, erfahren Sie hier auf unserer Homepage.

* Ein anekdotische Anmerkung zum Nazi-Rassenwahn vom Arier mit blondem Haar und blauen Augen: Eine der häufigsten angeborenen Stoffwechselstörungen ist die Phenylketonurie. Unbehandelt führt sie zu schweren geistigen Entwicklungsstörungen und geht u.a. einher mit Auffälligkeiten wie Aggressivität, Zerstörungswut und Zornesausbrüchen. Die Krankheit korreliert mit dem Idealbild vom arischen Menschen: blonde Haare und blaue Augen! Zumindest die Krankheit ist therapierbar …

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