21. April 2020
Mit Zusammenhalt der Pandemie begegnen
Seit Wochen wird unser Leben vom Umgang mit der Corona-Pandemie bestimmt. Schulen sind geschlossen, der Betrieb von Hotels und Restaurants, Geschäften und Betrieben ist stark eingeschränkt. Das öffentliche Leben ist weitgehend zum Stillstand gekommen, vom Aufenthalt im Freien über das Vereinsleben bis zum Besuch religiöser Veranstaltungen. Was auf den ersten Blick paradox erscheinen mag, der notwendige Rückzug der Menschen in das Private wird zum Zeichen der Solidarität untereinander. Nur durch Vermeidung des Kontakts zu unseren Freunden, Nachbarn und Verwandten können wir die Ausbreitung des Virus verzögern und damit uns selbst und andere schützen. Die daraus resultierenden wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie aber werden hier und überall auf der Welt enorm sein. In Deutschland sind wir darauf glücklicherweise gut vorbereitet, wir haben die 2008 einsetzende globale Finanzkrise besser überstanden als viele andere Staaten und in den vergangenen Jahren unseren Staatshaushalt konsolidiert. Eine wichtige Grundlage hierfür waren die weit vorausschauenden Reformen des Sozialsystems und Arbeitsmarktes, die unter dem Namen „Agenda 2010“ bekannt wurden. Sicher, diese Reformen liegen nun anderthalb Jahrzehnte zurück und es gibt dringenden Bedarf, ihre Regelungen zu überarbeiten. Aus gutem Grund wird von Experten gefordert, die Hartz-IV-Regelsätze weiter anzuheben. Was gemeinhin in Vergessenheit geriet, die Agenda 2010 hat ihren Ursprung in der im Jahr 2000 von den europäischen Staatschefs verabschiedeten „Lissabonner Strategie“, die zum Ziel hatte, in ganz Europa bis zum Jahr 2010 für ein stabiles Wirtschaftswachstum, mehr Arbeitsplätze und einen stärkeren sozialen Zusammenhalt zu sorgen. Als dann im Jahr 2008 das Bankensystem versagte, wurde Europa wie andere Regionen der Welt auch stark zurückgeworfen, die Arbeitslosigkeit stieg und die Staaten, also wir Bürger, verschuldeten sich mit Hunderten von Milliarden. Wir haben uns in Europa damals aufgemacht die Ziele „Wirtschaftswachstum“, „Arbeitsplätze“ und „sozialer Zusammenhalt“ nicht aufzugeben sondern mit der Agenda „Europa 2020“ einen neuen Zeithorizont gesetzt. Und eine Reihe Staaten, wenngleich nicht alle, sind diesen Weg wiederum erfolgreich gegangen. Gerade in Deutschland haben wir mit einem ausgeglichenen Staatshaushalt, einer Rekordzahl an Arbeitsplätzen und der breit getragenen Solidarität für Kriegsflüchtlinge ein Zeichen gesetzt, dass diese Ziele nicht illusorisch sind.
Auch wenn wir noch monatelang gegen die Corona-Pandemie ankämpfen müssen, gilt es bereits jetzt nach vorne zu blicken: wir haben gemeinsam die Finanzkrise überwunden und wir können auch diese Pandemie überwinden. Voraussetzung ist, dass wir nicht nur an uns selbst, sondern an die Gesellschaft als Ganzes denken. Wenn jeder sich jetzt etwas einschränkt, geht es allen morgen besser. Das gilt für die Eindämmung der Virus-Ausbreitung ebenso wie für die Überwindung ihrer wirtschaftlichen Folgen. Und so wie ein Ladenbesitzer weiß, dass er ohne ein wirtschaftlich gesundes Umfeld kaum bestehen kann, gilt auch für uns als Gesellschaft, das Ganze sind im europäischen Wirtschaftsraum nicht nur wir Deutschen, sondern alle Bürger der europäischen Union. Wenn wir nicht dabei mithelfen, dass ganz Europa diese Krise überwindet, werden auch wir in Deutschland es kaum schaffen, die Folgen dieser Krise so gut es geht zu überwinden. Dabei geht es nicht nur um Deutschland als Exportnation schlechthin, sondern um die Idee eines geeinten Europas. Wenn die Menschen in den Staaten Europas nach der Krise keine Zukunftsperspektive haben, werden Populisten leichtes Spiel haben, aus Zukunftsangst Zwietracht zu säen und darauf eine Politik der nationalen Abschottung aufzubauen. Politiker von Bündnis 90/Die Grünen und die europäische Kommission unter der Leitung von Ursula von der Leyen fordern daher zu Recht, dass finanzstarke Staaten wie Deutschland und andere den von der Krise am härtesten getroffenen Staaten beistehen. Wir alle kennen die erschreckenden Bilder zur Corona-Pandemie aus Italien oder Spanien. Die Bevölkerung dort braucht unsere Solidarität ebenso, wie wir selbst die Solidarität unserer Nachbarn und Mitbürger in Deutschland benötigen, um diese Krise zu überstehen! Aus diesem Grund unterstützen wir als Bündnis 90/Die Grünen ausdrücklich die Initiative führender Ökonomen aus Deutschland, die am 21. März 2020 einen Aufruf an die Regierungen verfasst haben, welcher in Tageszeitungen Deutschlands sowie anderer Staaten abgedruckt wurde und auf den Seitendes Instituts der Deutschen Wirtschaft zu finden ist. Die Kernbotschaft lautet: „Europa muss jetzt finanziell zusammenstehen - Die Starken müssen den Schwachen helfen. Jetzt ist der Moment, wo die oft beschworene Schicksalsgemeinschaft Europa Flagge zeigen muss“.
Zeigen wir im Interesse aller gemeinsam Flagge und beweisen, dass unsere Solidarität nicht an längst überflüssig gewordenen Schlagbäumen eines geeinten Europas Halt macht!