08. Mai 2024
Dr. Ulrich Meisen zum Haushaltsentwurf 2024
Zu Beginn eines jeden Jahres steht im Rat der Beschluss über den Haushalt der Gemeinde an. Hier wird festgelegt, wofür und wieviel Geld die Gemeinde im laufenden Jahr ausgeben will. Die Haushaltsberatungen bieten den Parteien die Gelegenheit, die von Bürgermeister und Verwaltung vorgeschlagenen Maßnahmen mit eigenen Anträgen zu ergänzen und zu ändern.
Geht es in Rats- und Ausschusssitzungen oft um viele kleinere Dinge, die zu beraten und zu entscheiden sind, bieten die Haushaltsberatungen Gelegenheit, grundsätzliche Stellung zu nehmen und darzulegen, wie eine Fraktion sich die Entwicklung der Kommune in der näheren Zukunft vorstellt.
Auch in Kall nutzten die Vorsitzenden der Fraktionen die Gelegenheit, ihre Sicht der Dinge in den Haushaltsreden darzulegen - bis auf eine Ausnahme: die AfD teilte mit, sie werde keine Rede im Rat halten, sondern ihre Haushaltsrede nur der Presse zuleiten. Das darf man merkwürdig finden und zeigt, wie viel oder besser wenig die AfD-Vertreter von der Arbeit im Rat halten. Doch es kommt noch besser: trotz mehrmaliger Nachfragen des Lokalredakteurs lieferte die AfD – nichts. Und so stellt sich die Frage, ob diese Vertreter einer rechtspopulistischen Partei in Kall überhaupt noch Interesse an der Kommunalpolitik haben. Vorschläge für den Haushalt hatten sie nicht. Was hingegen Uli Meisen, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, zu sagen hatte:
Der Haushaltsentwurf 2024 der Gemeinde Kall sieht ein deutliches Defizit vor und auch in den nächsten Jahren ist hier keine Besserung in Sicht. Er ist auch in diesem Jahr stark durch den Wiederaufbau geprägt.
Welche Ziele verfolgt nun die Gemeinde mit dem vorliegenden Haushalt. Wesentliches Ziel der Gemeinde ist der Wiederaufbau. Nur fragen wir uns, ob alle 121 Projekte der Gemeinde mit insgesamt 66,5 Mio € Kosten auch wirklich so sein müssen inklusive einem größer, schöner, moderner, teurer (mehr als der Wiederaufbau zahlt).
Die Ressourcen dieser Welt sie sind endlich, selbst so einfache Dinge wie Bausand werden knapp und teuer, wir tun immer noch so als gäbe es von allem unendlich viel.
Beispiele von fragwürdigen, in unseren Augen überflüssigen Ausgaben sind:
- Die Weiherbendenbrücke: 1,8 Mio €
- Sanierung des weitgehend intakten Bahnhofvorplatzes: 0,7 Mio €
- Böschungsbefestigung Gillesbach: 1,2 Mio €
So können wir nicht weitermachen, tun wir aber - und zwar mit weiteren fragwürdigen Projekten:
- Urftauenpark: 2,9 Mio €
- Feuerwehrgerätehaus: 21,3 Mio €
- Hallenbad: 7 – 15 Mio €
- Sportplatz Keldenich: 1,9 Mio €
- Fußgängerbrücke Kall: 0,5 Mio €
- Sportplatz Sötenich, Starkregenschutz für diese Anlage, Sportlerheim, Bürgerhaus: ca. 10 Mio €
- Die Städtebauprojekte (haben uns bisher die Betonwüste Bahnhofsvorplatz mit zwei mausgrauen Gewerbe- und Mietshäusern eingebracht): nicht noch mehr davon
- Umbau Bahnhofsumfeld: auch da sollen Millionen versenkt werden
- Interkommunales Gewerbegebiet: fraglich, ob das wirtschaftlich ist
- Neubaugebiete insgesamt mit allen Folgekosten
- Kanalausbau vor allem in Neubaugebieten, keine konsequente Versickerung des Regenwassers
- Deutlicher Personalaufbau im Bereich der allgemeinen Verwaltung, obwohl noch nicht einmal alle Stellen des Stellenplans besetzt sind: Diese überproportional hohen Kosten werden viele Jahre bleiben
Jedes einzelne diese Projekte sollten wir auf seine Kosten/Nutzenbilanz analysieren, nicht alles, was man gerne hätte, ist auch wirklich notwendig (Beispiel Urftauenpark, Fußgängerbrücke). Wir sollten die anstehenden großen Projekte gemeinsam mit den Betroffenen, der Politik und der Verwaltung analysieren, sonst sind die nächsten Desaster absehbar. Wünschenswert sind bei derart großen Projekten - wie beim Hallenbad - Bürgerentscheide. Die radikalen antidemokratischen Parteien machen auch in Kall mit Lügen und Heucheleien Stimmung, dem können wir mit einer wirklichen Bürgerbeteiligung (nicht mit solchen Pseudoveranstaltungen wie dem IHK) begegnen. Die Folgekosten all dieser Projekte sind immens und langfristig nicht zu leisten, wir werden uns von vielen dieser Ideen verabschieden müssen.
Die fetten Jahre sind vorbei.
Welche Schwerpunkte setzt die Gemeinde bei ihrer Entwicklung ??
- Mehr Kindergärten
- Attraktiveres Wohnumfeld
- Generationsübergreifendes Zusammenleben
- Weiterentwicklung des Gewerbes (Neue Gewerbegebiete)
- Neue Wohngebiete
Im Haushalt kann man davon wenig bis gar nichts erkennen. Neue Wohngebiete bei einer alternden Bevölkerung und unbelegten Wohnungen und freiwerdenden Wohnungen sind einfach der Weg des geringsten Aufwands und bei endlichen Ressourcen definitiv der falsche Weg.
Welche Zukunftsvorstellungen und Projekte haben wir hingegen.
- Wir wollen ein lebens- und liebenswertes Kall !!!
- Wir träumen von einem klimaneutralen Kall.
- Wir wünschen uns ein grünes, vielfältiges Kall.
- Wir möchten dauerhaft bezahlbares Wohnen für alle.
- Wir treten ein für wirklichen Starkregenschutz.
- Wir möchten selbstverwaltete Jugendprojekte.
- Wir möchten Teile der landwirtschaftlichen Flächen naturnah umgestalten und Projekte wie Agroforst, solidarische Landwirtschaft und Heckenlandschaften realisieren.
Kurzum: mehr Vielfalt, mehr Lebensqualität, mehr Grün, mehr Demokratie und Transparenz - und weniger mausgraue Gebäude und Plätze!
Kall soll nicht Husum werden (graue Stadt am grauen Meer) und auch nicht die "Francoise Sagan-Stadt" (Bonjour tristesse).