21. Oktober 2020
Warum wir mehr Naturwald brauchen, nicht Forstplantagen
Wälder erfüllen Funktionen, die für das Leben auf unserem Planeten unverzichtbar sind. Aber die weltweite Waldfläche schrumpft Jahr für Jahr um über 20 Millionen Hektar, vor allem weil sie wirtschaftlicher Nutzung weichen muss.
Aber auch dort wo heute Wald steht ist die Frage: welche Qualität besitzt und welche Funktion erfüllt er? Unsere konventionell bewirtschafteten Forstwälder befinden sich durch langjährige Dürre, Schädlingsbefall und Sturmschäden in einem tiefgreifenden Umbruch. Die Forste kollabieren regelrecht, wodurch billiges Holz den Markt überschwemmt und die Preise abstürzen lässt, so dass viele Forstbesitzer – zu denen auch unsere Eifelgemeinden gehören – auf den Kosten der Forstwirtschaft sitzen bleiben und nach staatlichen Hilfen rufen.
Gleichzeitig kommt im Bemühen, den Klimawandel zu verlangsamen, den Wäldern eine wichtige Rolle zu. International wird dem Stopp von Rodungen und der Wiederherstellung von Waldflächen eine große Bedeutung beigemessen, so dass im Jahr 2011 die weltweit größte Initiative zur Wiederaufforstung gestartet wurde, die sogenannte „Bonn Challenge“. Bis zum Jahr 2030 sollen dadurch weltweit 350 Millionen Hektar an neuer Waldfläche ausgewiesen werden, vor allem, um den Anteil des Treibhausgases Kohlendioxid in der Atmosphäre zu reduzieren.
In den letzten Jahren haben sich Forscher deshalb intensiv mit der Frage befasst, was genau wie getan werden muss, damit durch mehr Waldfläche die globalen Klimaziele erreicht werden könnten. Das Ergebnis: würde man einfach mehr Forstwälder anpflanzen, würden die Klimaschutzziele bei weitem verfehlt. Der einzige Weg, wie man durch mehr Wald die erforderlichen Mengen an Kohlenstoff binden kann, ist den Studien zufolge die deutliche Ausweitung von Naturwaldflächen. Das bedeutet, der Wald muss sich auf natürlichem Weg entwickeln können, nicht als eine vom Menschen geschaffene Plantage, in der einige Nutzarten ausgebracht und regelmäßig abgeerntet werden. Aktuelle nationale und internationale Studien zeigen, dass es vor allem alte, große Bäume mit großen Durchmessern sind, die wichtig für das Ökosystem Wald und den Entzug von Kohlendioxid aus der Atmosphäre sind. Die Form der Waldbewirtschaftung ist ebenfalls entscheidend dafür, inwieweit Wälder Dürreperioden und damit Schädlingsbefall überstehen. Wenn man also die Klimaziele ernsthaft erreichen will, muss es mehr Naturwald geben, statt die konventionelle Forstwirtschaft auszuweiten.
Wie sieht es in Deutschland in Sachen Naturwald also aus? Im Jahr 2007 machte er weniger als 2% der Landesfläche aus. Dieser viel zu geringe Anteil stellt auch eine relevante Gefährdung der biologischen Vielfalt dar. Bei den in der sogenannten „Roten Liste gefährdeter Arten“ aufgeführten Tieren und Pflanzen sind insbesondere solche Arten stark betroffen, die auf natürliche Wälder angewiesen sind. Der Artenschutz war daher der Grund, weshalb die Bundesregierung im Jahre 2007 in der Nationalen Biodiversitätstrategie das Ziel gesetzt hatte, bis zum Jahr 2020 einen bundesweiten Anteil von 5% der gesamten Waldfläche in Naturwald umzuwandeln. Für die öffentliche Hand hat die Bundesregierung dabei sogar die Vorgabe erlassen, bis zum Jahr 2020 auf 10% der Fläche staatlichen Waldbesitzes eine natürliche Waldentwicklung umzusetzen. Das Bundesamt für Naturschutz hat allerdings im Jahr 2019 festgestellt, dass das bundesweite Ziel bei weitem verfehlt wird und weniger als 3% der Fläche an Naturwäldern erreicht werden.
Und wie ist die Situation bei uns in Kall? Die Gemeinde Kall besitzt 980 ha Wald, sollte demzufolge im Jahr 2020 also etwa 98 ha davon als Naturwald ausgewiesen haben. Tatsächlicher Wert: 0 ha!
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat deswegen den Antrag gestellt, in Beratung mit Naturschutzverbänden den vorgesehenen Anteil von 10% an Naturwald in unserem Gemeindewald innerhalb eines Jahres auszuweisen und bis zum Jahr 2030 deutlich auszuweiten.
Weitere Informationen zu diesem Thema findet man hier:
https://www.dw.com/de/notruf-aus-dem-wald-die-erde-verliert-ihre-gr%C3%BCne-lunge/a-44908786
https://naturwald-akademie.org/waldwissen/wissenschaft-und-politik-fuer-den-wald/hausgemachter-trockenstress-2/
https://naturwald-akademie.org/forschung/studien/dicke-baeume-sind-fuer-den-klimaschutz-besonders-wichtig/
https://naturwald-akademie.org/forschung/positionen/reaktion-auf-stellungnahme-des-thuenen-instituts-fuer-waldoekosysteme/
https://www.nature.com/articles/d41586-019-01026-8?sf210301761=1